Liebe Gemeinde,

„Prüfet alles, das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt.“

 

Ein Satz aus dem ältesten erhaltenen Brief von Paulus und damit zugleich dem ältesten Text des ganzen Neuen Testaments, die früheste Urkunde des entstehenden christlichen Glaubens. Also ein Satz mit besonderer Bedeutung, quasi das Fundament, die Grundhaltung, mit der wir durchs Leben gehen sollen: Alles auf den Prüfstand stellen, und nur das Gute behalten.

Das wir das wollen, da stimmen sicher alle auch sofort zu – aber wie sieht denn die praktische Umsetzung aus: Was ist das Gute, das wir behalten sollen und was ist das Schlechte, das zurückbleiben kann? Was macht unser Leben, unser Zusammen-Leben, unsere Gemeinde aus?

Keine einfache Frage. Schon damals nicht, deshalb haben die ersten Christen Paulus ja gefragt, was sie machen sollen.

Und Paulus? Der bleibt gelassen: Seid aufgeschlossen, so sagt er es: Christen sind weltoffene Leute. Vieles begegnet euch, das ist fremd oder ist anders, als ihr es wollt oder für sinnvoll und richtig haltet. Aber lasst euch darauf ein. Versucht, zu verstehen. Schaut es euch genau an. Prüft alles. Und wenn sich etwas als gut erweist, d.h., wenn es für andere gut ist, dann behaltet es, auch wenn es nicht euren Vorstellungen entspricht.

Diese Worte sind getragen von einer großen Toleranz. Wir leben in einer Zeit, in der manche alles bekämpfen und ausmerzen wollen, was nicht mit ihrer Meinung übereinstimmt. Im Großen, wie im Kleinen. Überall sind sogenannte Gläubige am Werk, die die Welt so umbauen wollen, dass sie ihren gesetzlichen Idealvorstellungen entspricht. Es geht dabei nicht um die anderen, sondern nur darum, die eigene Ideologie durchzusetzen und daraus einen Selbstwert zu ziehen. Für uns ist das so, als wenn man Beton über die Gesellschaft schüttet. Es entsteht ein großer Grabstein, aber eine Welt, an der Gott Freude hat, wird gewiss nicht daraus.

Prüft alles, das Gute behaltet – diese Worte atmen eine tiefe Gelassenheit. Das, was unsere Augen sehen, was unsere Ohren hören und was unsere Herzen fühlen, ist Zeichen einer vielfältigen Welt, die von Gott kommt. Wer auf ihn vertraut, will der Welt keine vermeintlich bessere Ordnung aufzwingen, oder seinen Job übernehmen und allen sagen, was richtig ist und wo es langgeht. Wer auf Gott vertraut, darf leben und lieben, sich selbst und die anderen!

Und das Böse?

Ja, das gibt es. Leider! Und es kommt oft versteckt in den Formen von vordergründiger Hilfsbereitschaft und getarntem Interesse an Miteinander und Gemeinschaft – oft ist es nur schwer zu erkennen, dass es nur um die Durchsetzung egoistischer, lebensfeindlicher Haltungen geht. Auch Paulus wusste das natürlich und deshalb hat er nach diesem Satz noch eine Klarstellung angefügt: „Meidet das Böse in jeder Gestalt.“

Wohlgemerkt, nicht: Vernichtet es, merzt es aus, kämpft dagegen. Sondern: Schützt euch und meidet es. Wenn ihr etwas geprüft habt und es als böse erkennt, wendet euch konsequent davon ab. Verhindert die Begegnung. Beschäftigt euch nicht damit. Solche Menschen und Dinge mögen sich in der Regel selbst nicht und brauchen den Konflikt, damit sie überhaupt noch etwas spüren. Loslassen, akzeptieren, respektieren, das alles sind Fremdworte des Bösen. Dagegen kann man nichts tun, Vernunft hat da keinen Zugang, Liebe auch nicht, denn sie wäre ja der Maßstab, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, und deshalb rät Paulus: Meide es, das Urteil ist bereits gesprochen, lass dich nicht mit hineinziehen.

Leicht ist das nicht: Still und fest zu widerstehen, ist weit schwieriger, als lauthals anzuprangern und zu bekämpfen. Auch das erleben wir ja zur Genüge und oft gelingt es auch nicht, sich ruhig zu verhalten, wenn das Böse keine Ruhe gibt, der Unfriede weiter geschürt, die Stimmung angeheizt wird, nur um das eigene, böse Bild besser dastehen zu lassen.

Aber ein guter Vorsatz für das neue Jahr kann es schon sein: Einen Bogen machen, wovon ich weiß, dass es mich beschmutzt, verwirrt, verstört. Meiden und ignorieren, was bei mir dazu führt, dass ich mich selbst nicht mehr kenne. Das genügt oft schon. Und es ist viel!

Paulus weiß, wie schwer diese Aufgabe ist. Er weiß, wie sehr alle, die das annehmen und so zu leben suchen, auf Gott angewiesen sind. In letzten Satz seines Briefes betet er deshalb für seine Gemeinde, dass sie heilig werden soll, also dass es ihr gelingt, allem Bösen fern zu bleiben.

Eine starke Jahreslosung, die uns durch das Jahr 2025 mit allem, was da kommt, begleiten will. Eine Hilfestellung, wie wir mit dem, was auf uns zukommt, besser umgehen können. Weil Gott uns bewahren will, an Leib und Geist, vor allem aber an unserer Seele. Zu allen Zeiten und an allen Orten, im Guten und ganz besonders auch, wenn uns Böses begegnet.

Schon deshalb: Gesegnete Weihnachten und ein hoffnungsfrohes neues Jahr wünschen Ihnen Ihr Pfarrer und Ihre Pfarrerin

Dr. Martin Weber   und   Sabine Arzberger