„Gott lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt.5,45)
Liebe Gemeinde,
haben Sie auch oft das Gefühl, dass es den Bösen gut geht? Dass diejenigen, die sich bemühen, anständig durchs Leben zu gehen, eher noch bestraft werden? Dass die, die sich am meisten herausnehmen, auch am meisten machen dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen?
Ein Eindruck, den wir immer wieder im Leben gewinnen und der zu einer der ältesten Fragen unseres Glaubens führt: Gibt es Gerechtigkeit? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem, was man tut und dem, wie es einem ergeht? Und gibt es einen Ausgleich, wenn andere versuchen, einem zu schaden oder einen zu vernichten, und sich auf meine Kosten profilieren oder es sich auf Kosten anderer gut gehen lassen wollen?
Theologisch ist das die Frage nach dem „Tun-Ergehens-Zusammenhang“. Im Ersten Testament (das auch Altes Testament genannt wird) war man lange der Meinung, dass jemand, der ungerecht und nicht der Gemeinschaft dienlich handelt, das noch während seines Lebens bereuen wird und muss. Umgekehrt wird jemand, der Gutes tut, noch zu Lebzeiten dafür belohnt werden. Leiden und Ungerechtigkeit wird also als Folge eigener Verfehlungen, Reichtum und ein gutes Leben als Lohn für gutes Handeln gedeutet. Sprüche 11,31 fasst das zusammen: "Wer Gott gehorcht, wird hier auf Erden schon dafür belohnt, erst recht wird jeder bestraft, der ... Unrecht tut!"“
Natürlich gibt es in vielen Bereichen unseres Lebens einen Zusammenhang zwischen dem, was wir tun und wie es uns geht, z.B. beim Thema Gesundheit und Ernährung, aber ein Automatismus existiert leider nicht, schon gar nicht im zwischenmenschlichen Umgang.
Das hat man bereits während der Entstehung unserer Bibel erkannt. Anfangs versuchte man es noch mit einer zeitlichen Dehnung und einem familiären Zusammenhang zu erklären: Wenn es einem selbst schlecht ergeht, obwohl man das Gute tut, werden Vorfahren sich etwas zuschulden kommen lassen haben, so z.B. im Buch Deuteronomium 5,9: „Ich suche die Schuld der Väter an den Kindern heim, an der dritten und vierten Generation.“
Funktioniert hat das leider auch nicht und so wurde der Gedanke im Buch Hiob dann aufgegeben: Dort ist es der Teufel, der selbst handelt oder andere missbraucht, um anderen Menschen zu schaden. Einen Ausgleich oder Lohn für seine Taten kann man hier auf dieser Welt nicht erwarten. Darauf weist dann auch Jesus z.B. in der Bergpredigt (Mt.5,45) hin: „Er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“
Eine Belohnung oder eine Strafe stellt Jesus erst für die Zeit nach unserem Tod in Aussicht, z.B. in Matthäus 26, 31-46 im Gleichnis vom so genannten Weltgericht. Es ist also ganz und gar nicht egal, was wir auf Erden tun und lassen. Den Ausgleich für Unrecht wird Gott dann selbst gestalten und das dürfen wir getrost und getröstet ihm überlassen, wenn wir die Seligpreisungen Jesu in Matthäus 5 lesen und ernst nehmen. Denn die, die Unrecht erfahren, werden selig sein, weil sie Hoffnung haben können.
Entscheidend ist: Eine Gerechtigkeit auf Erden, wie wir sie uns vorstellen und wünschen, eine die nach Verdienst oder Versäumnis zuteilt, die gibt es leider nicht: Gerechtigkeit ist eine soziale Konstruktion. Die Frage ist also gar nicht so sehr, ob das, was einem widerfährt gerecht oder ungerecht ist, sondern viel mehr, wie man damit umgeht. Martin Luther hat das so beantwortet: Wenn du nicht verstehst, was dir widerfährt und wenn du an der Welt oder viel mehr an einigen Menschen zweifeln und verzweifeln willst, dann schau aufs Kreuz!
Das versuchen wir ja auch in den nächsten Wochen der kommenden Passions- und Osterzeit geistlich einzuüben. Der Sinn von dem, was unser Kirchenjahr durchläuft: Vieles können und werden wir nicht verstehen, aber es gibt einen Gott, der hält und trägt – weil er selbst den Weg gegangen ist, bis über den Tod hinaus: Das macht Mut zum Leben…
Eine gesegnete Zeit wünschen Ihnen Ihr Pfarrer und Ihre Pfarrerin
Dr. M. Weber und Sabine Arzberger